Neulich hatte ich meinen ersten Arztbesuch im Kanton Bern. Da die monatliche Krankenkassengebühr im Hauptstadtkanton etwa um einen Drittel höher ist als im Kanton Zürich, lagen meine Erwartungen an diesen ersten Arztbesuch entsprechend hoch. Ich hatte schon damit gerechnet, dass die Praxis in einem modernen Stahl- und Glasbau untergebracht sein würde. Auch ging ich davon aus, dass man mir beim Empfang Mantel und Schal abnehmen und mich ins Wartezimmer geleiten würde. Dort lägen dann teure Fotobände und Hochglanzbroschüren für die Lektüre. Je nach Lust könnte ich auch gratis im Internet surfen oder mich an einer interaktiven Bildschirmstation über die neusten medizinischen Erkenntnisse informieren. Das Mobiliar wäre natürlich von Corbusier und die Arztgehilfin würde mir zum Empfang ein Cüppli und ein Lachskanapee reichen.
Es war dann nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Praxis befand sich in einem 60er-Jahre-Wohnblock mitten im Wohnquartier. Die Deko beim Eingang, ein Vogelkäfig mit Ostergras, Porzellanhasen und Bibeli aus Federn, hätte es punkto Schönheit und Geschmack mit jeder Hoteldekoration im Schwarzwald aufgenommen. Im Wartezimmer lag die Schweizer Illustrierte und das Mobiliar war, wenn nicht von IKEA, dann von einem Möchtegernkonkurrenten des schwedischen Möbelriesen. Die Arztgehilfin, eine Heldin des Multitaskings, reichte keine Cüppli. Stattdessen begrüsste sie mich mit den Worten:“Grüessech Fro Klinger. Weit’r zertscht Bluet näh oder bisle?“
„Bisle!“ war natürlich meine spontane Antwort auf diese verlockende Auswahl. Und mir wurde schlagartig klar: Die Ärzte in Bern kochen eben auch nur mit Wasser, oder besser gesagt, arbeiten mit Brunz und Bluet.
P.S. Den Zettel hatte ich mir geschrieben, damit ich sicher nüchtern beim Arzt ankommen würde. Und nein, ich habe den Arzt nicht gefressen.