Semantik im Putzschrank

Mein Teppich hat Flecken und so kaufte ich mir am Samstag einen Teppichschaum. Eigentlich wollte ich damit gestern den Flecken auf dem Teppich zu Leibe rücken. Aber erst muss man ja die Gebrauchsanweisung lesen. Das sind die Texte, die von der Industrie von Jahr zu Jahr in kleinerer Schrift auf die Dosen gedruckt werden. Zum Glück habe ich ja jetzt Gleitsicht mit scharf auf der Nase und schaffte es den Text zu lesen, ohne dabei gleich Migräne zu kriegen.

Und so erfuhr ich, dass es sich bei meinem Teppichschaum keineswegs um einen gewöhnlichen Schaum handelt. Nein, es ist ein AKTIVSCHAUM. Während ich mir noch so ausmalte, wie sich ein Aktivschaum im Gegensatz zu einem Passivschaum verhält, denn solche müsste es in dem Fall logischerweise auch geben, blieb mein Auge schon an der nächsten Wortkreation hängen: Der besagte Aktivschaum schütze nämlich, wenn man ihn „vollflächig“ aufsprühe, auch vor schnellem WIEDERANSCHMUTZEN. Wie geil ist das denn: Wiederanschmutzen! Ich lasse mir das Wort so richtig auf der Zunge zergehen und male mir aus, bei welcher Gelegenheit ich dieses Prachtsexemplar als Nächstes einsetzen könnte: „Hast du vielleicht eine Schürze für mich? Ich wiederanschmutze so leicht“ oder „weil er zu viel wiederanschmutzte, gab sie ihm den Laufpass“ oder „die Wäsche wiederanschmutzte sich regelmässig, sodass Frau Reiser beschloss, eine eigene Waschmaschine zu kaufen“. „Wiederanschmutze sich, wer kann!“ oder „Sie anschmutzten wieder und wieder, bis sie des Wiederanschmutzens leid waren und  sich eine Seife kauften“. Auch die Konjugation geht ganz prima: „ich wiederanschmutze, du wiederanschmutzt, er wiederanschmutzt, wir wiederanschmutzen, ihr wiederanschmutzt, sie wiederanschmutzen“. Nach der ersten Euphorie über dieses wunderbare Wort las ich die Gebrauchansanweisung fertig: Am Schluss muss man den Teppich sorgfältig ABSAUGEN. Also nicht ansaugen, meine Lieben, und auch nicht saugen, sondern ABsaugen.

Ich war so begeistert von dieser Gebrauchsanweisung, dass ich mich gleich hinter mein Putzmittelschränkchen machte in froher Erwartung, weitere solche Sprachperlen zu finden. Ja und so blieb dann halt keine Zeit mehr für meinen Teppich. Macht aber nichts, so lange er noch schmutzig ist, kann er wenigstens auch nicht wiederanschmutzen.

4 Gedanken zu “Semantik im Putzschrank

  1. Zirpe schreibt:

    Ach, Christine, Du bist meine verwandte Seele! Ein Text wie dieser ist dafür der beste Beweis! Danke Dir für diesen grandiosen Lesegenuss. Wiederanschmutzen nehme ich gleich in meinen Wortschatz auf! Leider wiederanschmutzt mein Bad immer so schnell. Vielleicht sollte ich es einfach mit Aktivschaum besprühen, die Tür zumachen und dann völlig passiv warten, bis dort drinnen alles aktiv und ohne mich gesäubert wird. Aber Vorsicht: Es besteht Wiederanschmutzungsgefahr! Spätestens beim Betreten!

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  2. Pia schreibt:

    Ha ha, muss wohl mal wieder mehr Spezialreinigeranleitungen lesen. Sehr inspirierender Text. Den perfekten Selbstreiniger suche ich immer noch vergebens. Bei mir gibt es heute nur den „Kölschen Wisch“. Die Wohnung kurz durchsaugen und das Bücherregal schnell abstauben. Wenn es noch Zeit hat (die geht mir allerdings oft durch die Lappen) wird noch der Küchenboden feucht aufgenommen. Das Abtrocknen der Gläser spare ich mal auf. Und auch die Laken warten heute vergeblich darauf abgezogen zu werden….

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