Obwohl eigentlich viel zu intim, dachte ich, das folgende Thema würde zum heutigen Frauentag passen.
Es gibt ja Verletzungen und Krankheiten, die sind echt cool. Ganz zuoberst auf der Hitliste stehen Sportverletzungen. Ein Kreuzbandriss zum Beispiel. Das ist was Rechtes und davon erzählt man gern auch vor laufender Fernsehkamera. Auch Knochenbrüche sind hoch im Kurs. Blinddarmendzündung geht ebenfalls. Jeder hat schliesslich einen Blinddarum und wenn man ihn nicht mehr hat, fehlt einem eigentlich auch nichts, im Gegenteil. Etwas delikater wird es mit der Gallenblase. Die hat zwar auch jeder, ist aber von ihrer Funktion her weniger sexy und nicht mehr richtig salonfähig. Ganz zuunterst auf der Liste aber rangieren die Geschlechtsorgane. So gerne über Sex gesprochen wird, so wenig will man von Krankheiten oder Disfunktionalitäten an Eierstöcken, Schwellkörpern, Gebärmüttern, Samen- oder Eileitern hören.
All das wurde mir spätestens dann bewusst, als mich ein Arbeitskollege – ein Ingenieur – neulich vor meinem „Eingriff am Unterleib“ am Telefon besorgt fragte, was ich denn im Spital operieren müsse. „Mist“, dachte ich, „was sage ich jetzt bloss?“ Da kam mir in den Sinn, dass ich neulich fürs Geschäft einen Blog-Beitrag über Spülbohrungen geschrieben hatte. Das ist eine Technik, die ursprünglich aus der Erdölbohrung stammt und auch im Leitungsbau angewendet wird. Nämlich dann, wenn Stromkabel in den Boden verlegt werden und dabei unter Hindernissen wie Seen, Flüssen, Bahngleisen oder Strassen durch müssen. In mehreren Bohrgängen gräbt der gesteuerte Bohrkopf den Schacht zwischen der Start- und der Zielgrube schonungsvoll unter dem Hindernis durch. Da unser Boss sagte, wir müssten unsere Stories anschaulicher und emotionaler erzählen, hatte ich die Spülbohrung in meinem Blog-Artikel mit einem chirurgischen Eingriff verglichen, bei dem die Schäden an der Erdoberfläche, wie auf der Haut, auf ein Minimum reduziert werden. Spülbohrung gleich Bauchspiegelung, sozusagen. Also sagte ich meinem Arbeitskollegen, um die Emotionalität aus meinem chirurgischen Eingriff am Unterleib rauszunehmen: „Nichts Ernstes, eine Art Spülbohrung am Bauch.“ Er gab sich damit diskret zufrieden.
Die Instandhaltung meiner Reproduktionsanlagen war erfolgreich. Für die Durchführung der Arbeiten wurde der ganze Anlagenpark während 45 Minuten stillgelegt und danach kontrolliert wieder hochgefahren. Nach wenigen Tagen konnten auch die Reproduktionsanlagen wieder in Betrieb genommen werden. Es ist alles gut gelaufen. Aber wenn ich jetzt wegen meiner drei Schnittchen im Bauch gekrümmt wie ein Nussgipfel zum Coop schlurfe, eine Binde von der Grösse eines Miniskis in meiner Spitalnetzunterhose, schaue ich ganz neidisch auf die Leute mit Krücken und schicken Schienen, Gipsen und Bandagen. Im Gegensatz zu mir erhalten sie verständnissvolle Blicke und sicher wird ihnen auch ein Sitzplatz im Bus angeboten.
Übrigens habe ich auf Dr. Google gelesen, dass „Eingriffe am Unterleib“ in der Schweiz nach Schönheitsoperationen zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen gehören. Kaum zu glauben, wo man doch so wenig davon hört…
Eine humorvolle Geschichte besonders zum Tag der Frau. Sichtbare Verletzungen sind übrigens auch nicht lustig. Seit ich hinke, werde ich von mitfühlenden Mitmenschen angesprochen. Ich erzähle notgedrungen meine Geschichte. Jedermann kennt jemand mit dem gleichen Übel und gibt wohlmeinende Ratschläge.
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