Als ich neulich mit dem Fahrrad an einem Maisfeld vorbeifuhr, wurde ich Zeugin eines Familiendramas. Um das ganze Ausmass dieser Tragödie zu verstehen, lohnt ein Blick auf das Foto auf meinem Blog.
Ein kleiner Mais, nennen wir ihn mal Moni Mais, hatte offenbar genug davon, mit den anderen Mais (Maispflanzen? Nennen wir sie mal Maise) im Maisfeld zu leben. Weil Moni viel kleiner war als die übrigen Maise, wärmten keine Sonnenstrahlen ihre Blätter, nie sah sie den blauen Himmel und was am Ende des Maisfeldes kam, das wusste sie nur vom Hörensagen. Die grossen Maise nahmen ihr das Licht, den Platz und die Sicht – kein Wunder, dass Moni Mais keine Kolben trug. Klein und kümmerlich fristete sie ihr Dasein und wurde immer unzufriedener.
Und so kam es, dass Moni Mais eines Nachts aus dem Maisfeld ausbrach, den Feldweg überquerte und dort ihre Wurzeln in den Boden schraubte. Endlich konnte sie Wind, Sonne und Regen spüren, über ihr wölbte sich der unendliche Himmel, dessen Farbe je nach Wetter und Tageszeit variierte. Gegen Westen sah Moni Mais eine Wiese, auf der Kühe weideten. Dahinter befand sich der Waldrand. Im Norden lagen ein paar Bauernhäuser und im Süden glitzerte ein See. Im Osten lag das Maisfeld. Moni war überglücklich.
Doch im Maisfeld blieb Monis Verschwinden nicht lange unbemerkt. Monis Mama machte sich schreckliche Sorgen. Der Papa fluchte und sagte, sie sei schuld, dass Moni weg sei. Das liess nun die Mama nicht auf sich sitzen, und so ging das hin und her. Bald mischten sich auch die benachbarten Maise ein und nach und nach breitete sich der Meis* aufs ganze Maisfeld aus. Der Meis im Maisfeld wurde so laut, dass er bis über den Feldweg zu Moni Mais drang.
Und so dauerte es nicht lange bis die rebellische Moni Mais wieder mitten im Meis stand.
*Meis: Berndeutsches Wort für Lärm, Unruhe Verwirrung