Konfliktfreies Gärtnern

Es war ein schwieriges Gartenjahr, sagen erfahrene Gärtner. Was soll ich denn erst sagen, die dieses Jahr ganz neu mit dem Gärtnern angefangen hat? Wobei so ganz blauäugig ging ich nicht an die Sache heran, im Gegenteil: Nach über 50 Episoden von «Gardener’s World» (ich konnte die Melodie am Schluss schon mitschmettern, kenne jetzt sämtliche botanischen Begriffe auf Englisch und bin total in den Gärtner Monty Dom verknallt) und sämtlichen Folgen von «Hinter den Hecken» und «Mission B» fühlte ich mich gut gerüstet. Auch alle Gartenbücher der Bibliothek Seen hatte ich mir reingezogen. Der Corona-Winter war lang und ich wollte gut vorbereitet sein. Ob ich einen Job finden oder Corona vorbei sein würde, konnte ich nicht beeinflussen. Aber der nächster Sommer würde bestimmt kommen, dachte ich.

Nun ja, er kam nicht so richtig, das zeigte sich schon beim Vorziehen der Pflänzchen in der Wohnung im Frühling. Es war kühl und regnete. Die angezogenen Pflänzchen blieben erbärmlich mickrig. Doch wer mit all dem Regen kam, das waren die Schnecken. Ein Tier, dessen Fresslust und Vermehrungsfähigkeit ich masslos unterschätzt hatte. Die Schnecken haben mir sämtliche Keimlinge meiner Direktsaat abgefressen. Was ich so richtig fies fand, war, dass sie die Kornblumenkeimlinge erst abfrassen, nachdem ich sie mühsam pikkiert hatte. Das hätten sie auch vorher erledigen können, die Biester! Ich nahm das richtig persönlich. Und das war wohl der Moment, in dem ich den schleimigen fetten Dingern den Krieg erklärte. Am Anfang war ich noch moderat oder man könnte vielleicht auch sagen naiv. Als ich merkte, dass die Schnecken eine meiner Funkien fast komplett abgefressen hatten, kontrollierte ich diese Pflanzen regelmässig und gründlich und las die Schnecken ab. Einmal habe ich eine Hand voll Schnecken den nächsten Gullideckel hinuntergeworfen. Sollen sie doch dort unten ersaufen! Als ich wenige Minuten später noch einmal in den Gullischacht hinunterschaute, krochen die fetten, rotbraunen Schleimer wie ein Heer von Racheengeln an den Seiten des Schachts wieder empor. Wie in einem Horrorfilm war das!

So ging das nicht. Wieder einmal suchte ich nach Antworten im Internet und in diversen Ratgebern. Ich war ja nicht die Erste, die mit einer Schneckenplage zu kämpfen hatte. Die Palette von Vernichtungsmethoden war beeindruckend: Bier, Kaffeesatz, Eierschalen, Salz, Schneckenkörner, Schneckenbleche, Schneckenkragen, Schnecken zerschneiden, heisses Wasser über die Schnecken giessen, Schnecken einfrieren… Das Bier gönne ich den Schnecken nicht. Ich trinke keinen Kaffee und esse zu wenig Eier, um damit meine grossen Beete einzufassen. Salz ist für den Boden nicht gut und Schneckenkörner sind giftig. Schneckenbleche und Schneckenkragen kommen bei der Dimension meiner Beete nicht in Frage. Blieb nur noch das Zerschnippeln, mit heissem Wasser übergiessen oder Einfrieren. Ich entschied mich für letzteres.

Seit die Schnecken in einem Tupperware neben der Box mit dem Vanilleeis in eisiger Kälte sterben, frage ich mich, was diese Tötungsmethode über mich aussagt. So ganz nach dem Motto: Sage mir, wie du deine Schnecken um die Ecke bringst, und ich sage dir, wer du bist. Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich der Konfliktvermeidungstyp bin. Ich stecke die Schnecken in die Gefriertruhe, so sind sie aus den Augen und aus dem Sinn. Ob sie dort ersticken oder erfrieren? Erfrieren sei ja ein sanfter Tod. Aber ersticken? Winden sie sich dann zum letzten Mal qualvoll? «Man weiss so wenig», würde Erich Kästner dazu sagen. Aber ganz ehrlich: Will man das wissen? Eben, sagt der Konfliktvermeidungstyp.

4 Gedanken zu “Konfliktfreies Gärtnern

  1. Judith schreibt:

    Wunderbar geschrieben und ich fühle mit Dir. Ich hab letztlich kapituliert und die Schnecken und ich teilen jetzt. Wobei ich zumeist wenige und Schnecken mit Haus habe. Da teilt man großzügiger 🙂

    Gefällt 1 Person

  2. Heinz schreibt:

    Liebe Chrigi, sehr schöner Text. Den ich grad jetzt, nach dem Bären-Vertreibungs-Kurs (wie man den Bärenspray braucht), gelesen habe. Üble Kreaturen, diese Schnecken. Ich habe übrigens für mein neuestes Buch ein Schnecken-Bestimmungsbuch gekauft, aber lange kann ich ehrlich gesagt nicht reinschauen — irgendwann überkommt mich der Ekel …
    Liebe Grüsse aus dem Motel Rondo in Golden, Heinz

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