Dornröschen – im Schlaf gealtert

So wenig ich meinen Badge vermisse, sosehr trauere ich meinem fast topmodernen Firmen-Handy nach. Nachdem ich es abgegeben hatte, steckte ich mein altes Samsung-Handy an den Strom. Zum Glück hatte ich es mitsamt Aufladekabel in die gleiche Schublade gelegt und rasch zur Hand. Wie Dornröschen wurde mein Samsung innert kurzer Zeit aus seinem anderthalbjährigen Schlaf geweckt. Der grüne Balken in der Batterie wuchs und bald schon erschienen die altvertrauten Icons auf dem Display. Ja, das war wieder mein Handy!

Doch mein Hochgefühl war nicht von Dauer. Mein Handy war furchtbar langsam, die Icons muteten auf den zweiten Blick ziemlich altmodisch an  und ich schaffte es nicht, meinen Whatsapp-Account zu aktivieren. Also ging ich mit meinem Dornröschen-Handy dorthin, wo ich mit Handys immer hingehe, wenn etwas nicht stimmt: zum Swisscom-Shop. Die junge Beraterin, die auf mich zukam, hatte etwa vier Zentimeter lange hellblaue Fingernägel. Ängstlich fragte ich mich, ob das Dornen waren und ob es sich bei der jungen Frau um die dreizehnte Fee handelte, die Dornröschen verwünscht hatte. „Nicht das Display zerkratzen!“, war ich versucht zu rufen. Aber die Beraterin war freundlich und streichelte mit ihren weichen Fingerbeeren unter den spitzen Dornen das Display meines Handys. Leider liess sich dieses auch von ihr nicht dazu bewegen, Whatsapp zu aktualisieren. Man sei jetzt halt schon beim Samsung S7 und für mein Handy, ein S3, gebe es keine Whatsapp-Updates mehr, erklärte die Beraterin nach mehreren vergeblichen Versuchen.

Ich fing an zu rechnen. Bei den Hunden rechnet man das Alter ja mal sieben. Mein Samsung S3 war dreieinhalb Jahre alt. Wenn man jetzt schon beim Samsung S7 war, bedeutete das, dass ein Handy pro Jahr um etwas mehr als eine Generation altert. Kurz, beim Handy-Alter muss man demnach ungefähr mal 30 rechnen. Ich hatte mein Handy zwei Jahre als ich es zu Hause in die Schublade legte, da war es also etwa 60 Jahre alt. Seitdem sind rund anderthalb Jahre vergangen, das sind im Leben eines Handys etwa 45 Jahre. Mein Handy ist inzwischen also eine Greisin von 105 Jahren! „O.k.“, dachte ich, „dann muss ich vielleicht doch bald wieder in ein neues Handy investieren.“

Als ob sie Gedanken lesen könnte, sagte die Swisscom-Beraterin in dem Moment: „Demnächst wird das S8 präsentiert.“ Leider konnte sie mir aber nicht sagen, wann das S8 in ihrem Shop erhältlich sei. Nicht einmal ob es sich um Wochen oder Monaten handle, wusste sie. Das kam mir bei dem raschen Generationenwechsel von Handys etwas seltsam vor.Nach meiner Generationenrechnung wollte ich aber partout kein S7 mehr kaufen. Wenn ich wolle, könne ich bis zum Release vom S8 ein S7 mieten, bot mir die Beraterin an. Das würde dann 60 Franken pro Monat kosten. Aber war mir Whatsapp wirklich monatlich 60 Franken wert? Liessen sich diese Gespräche nicht auch auf anderen Kanälen führen? Alle anderen Apps funktionierte ja auf meinem  alten Handy noch, wenn auch nur langsam. Also beschloss ich, meinem Handy noch ein paar Wochen oder halt Monate (bis das S8 kommt) treu zu bleiben.

Ich verliess den Swisscom-Shop im Herzen der Berner Altstadt mit meinem dreieinhalbjährigen, vergreisten Handy in der Tasche. Mein Blick wanderte zum Zytglogge hoch, die wohl bekannteste Turmuhr der Schweiz mit einem Uhrwerk aus dem Jahr 1530. Die Uhr funktoniert bis heute einwandfrei und ist eine der Hauptattraktionen Berns. In diesem Moment konnte ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass in der digitalisierten Welt mit der Zeitrechnung etwas ziemlich schief läuft. Und ich muss gestehen, ich fühlte mich ein kleines Bisschen verwhatsappelt.

Nicht ohne meinen Steppy*

*Name von der Redaktion geändert.

So langsam wandelt sich der Winterspeck an meinem Bauch nahtlos in eine Frühlingsrolle um. Das will mir nicht so recht gefallen. Und so habe ich mich neulich dazu entschieden, mich mehr zu bewegen. Ein Schrittzähler sollte mich bei diesem Projekt begleiten. Schnell wurde ich im Store auf meinem Handy fündig und hatte sogar die Wahl zwischen mehreren Apps. Ich entschied mich dann für die Gratis-App mit den meisten Sternchen. Eine klassische Wahl nach dem Optimumprinzip, das heisst, man versucht, mit möglichst wenigen Mitteln (in meinem Fall am liebsten keinen) den grössten Nutzen zu erzielen. Das App nistete sich rasch auf meinem Telefon ein und saugte gefühlte 90% vom Akku und 75% vom Speicherplatz ab. Egal, wenn mein Handy langsam wird, dachte ich. Hauptsache ich komme in Bewegung! Zuerst musste ich die Schrittlänge einstellen und mein tägliches Ziel eingeben. Ich gab eine Schrittlänge von 0.5 Meter ein und als Ziel 5’000 Schritte. Schliesslich brauchte ich ein rasches Erfolgserlebnis. 2.5 Kilometer pro Tag waren ja zu schaffen.

Der Steppy lässt sich aber nicht nur frisieren (als Teenager haben wir das noch mit unseren Mofas gemacht) er hat auch andere Schwächen, wie ich rasch feststellen musste. Besonders ärgerlich ist, dass meine meist frequentierte Strecke, die vom Sofa zum Kühlschrank, nur 17 Schritte beträgt. Da der Steppy aber erst ab 10 Schritten zu zählen beginnt, komme ich so nur auf 7 Schritte einfach und 14 Schritte retour. Ich habe das Problem nun für mich so gelöst, dass ich jeweils einen Umweg übers Schlafzimmer mache, wo ich mich seitwärts vor den Spiegel stelle, den Bauch einziehe und an Ort trabe. Das mache ich so lange, bis der Steppy die effektive Strecke, nämlich 28 Schritte hin und retour anzeigt. Der Umweg hat noch einen weiteren Vorteil: Beim Blick in den Spiegel vergeht mir oft die Lust auf den Ausflug zum Kühlschrank. Das ist zwar schlecht für mein Schrittekonto, wirkt sich aber positiv auf mein Kalorienbilanz aus. Apropos Kalorien: Richtig ernüchternd fand ich die Umrechnung des Steppy auf die beim Gehen verbrannten Kilokalorien. Für einen Becher Schokojoghurt muss ich 225 Kilokalorien verbrennen, das heisst, 7’513 Schritte gehen – das sind 268 Mal vom Sofa zum Kühlschrank und zurück. Offenbar funktioniert auch mein Körper nach dem Optimumsprinzip: Mit einer minimalen Menge an Kalorien legt er möglichst viele Schritte zurück. So ein Mist!

Trotzdem ist der Steppy zu meinem treuen Begleiter geworden. Es ist ganz lustig, wenn man mit sich selbst im Wettbewerb steht. Und ehrlich gesagt, passen Steppy und ich ganz gut zusammen: Ich bescheisse ihn, er bescheisst mich. Meinen Beinen bleibt dabei nichts Anderes übrig als Schritt zu halten.