Neulich habe ich in einem Protokoll der Stadtverwaltung gelesen, dass man beabsichtige, den „grössten gemeinsamen Nenner“ zu finden. An dieser Formulierung bin ich hängen geblieben. Ich dachte immer, dass der gemeinsame Nenner von Natur aus klein sei. Je mehr Leute doch mitreden – und in der Verwaltung sind das aus Erfahrung immer mehr als genug –, desto weniger Gemeinsamkeiten gibt es. Die Tatsache hatte ich noch nie hinterfragt, fand aber, dass „der grösste gemeinsame Nenner“ gut klang.
Kurz darauf im Pilates: Bisher mussten wir uns bei bestimmten Übungen hüftbreit hinstellen. Ich habe mir dabei nie etwas gedacht. Der Mensch ist nun mal – in der Regel – um die Schultern und die Hüfte breit, war also nichts verkehrt mit dem Wort hüftbreit. Doch neulich war ich bei einer anderen Kursleiterin, die verlangte, dass wir uns „hüftschmal“ hinstellen sollten. Ich war etwas verunsichert, hatte sich doch die Breite meiner Hüften – die ja, so viel ich von Anatomie verstehe – in erster Linie durch den Knochenbau bedingt ist – seit dem letzten Mal kaum verändert. Doch alle um mich herum stellten sich genau gleich breit, äh tschuldigung schmal, hin, wie schon immer.
Und dann hat neulich an einer Veranstaltung ein Professor von „Nahtstellen“ zwischen verschiedenen Organisationen gesprochen. Aus dem Zusammenhang wurde mir klar, dass er das meinte, was ich seit jeher «Schnittstelle» nenne. Hm, Nahtstelle klingt schön. Da kommt was zusammen. Wer näht, weiss aber, dass jede Nahtstelle einst eine Schnittstelle war und, wegen der Naht, auch eine Schwachstelle ist. Es sei denn, man näht die Naht doppelt.
Schmale Hüften, grosse gemeinsame Nenner und Nahtstellen. Ich sehe schon, dass ich noch ein happiges Defizit – nein, ich meine natürlich ein grosses Potenzial – habe, mir die Welt erfolgreicher, schlanker, positiver und einfach viel schöner zu reden. Ich bin trotzdem froh, dass ich für alle Fälle meine Bernina habe. Damit könnte ich mir die Nahtstellen von Kleidungsstücken an den Hüften jederzeit versetzen.