Win-Win-Situation auf der Strasse

Neulich früh auf dem Fahrrad, da schlurfte eine Fussgängerin, ohne nach links oder rechts zu schauen, vor mir schräg über die Strasse als ich angefahren kam. Ich hatte viel Tempo und wenig Lust abzubremsen. Also rief ich nur genervt: „Achtung!“ Die Frau drehte sich geistesgegenwärtig um, blieb stehen und sagte: „Danke!“

Ich fiel fast vom Rad, so erstaunt war ich über dieses „Danke“ und dachte beim Weiterfahren ganz automatisch „äh, bitte“. War das ein „Danke, dass wenigstens Sie auf die Strasse schauen, ich tue es nämlich nicht“ oder ein „Danke, dass Sie mich nicht überfahren“ oder vielleicht ein „Danke, dass Sie mich geweckt haben, ist halt noch früh“? Wenn ich für die Frau abgebremst hätte, hätte ich dieses „Danke“ ja noch verstanden aber in dieser Situation hätte ich eher mit einem „Tschuldigung“, „Sorry“ oder „Ups“ gerechnet.

Wie genau dieses „Danke“ zu verstehen war, weiss ich bis heute nicht. Denn für den Austausch von mehr Höflichkeiten fehlte uns mitten auf der Strasse schlicht die Zeit. Ich weiss nur: Während die Frau ihren Weg über die Strasse von Dankbarkeit erfüllt, fortsetzte, fühlte ich mich gut. Denn als alte Pfadfinerin hatte ich schon am Morgen früh meine gute Tat für diesen Tag vollbracht. Das heisst, ich hatte etwas Gutes getan, indem ich etwas Schlechtes nicht getan hatte: Ich hatte die Frau nicht über den Haufen gefahren. Bin halt doch ein echter Kumpel!

Ach übrigens, alle, die sich dafür interessieren, wie man die Welt verbessern kann, indem man etwas nicht tut, sollten sich mal das folgende Filmchen von Volker Strübing ansehen: Not-to-do-Listen